Kalibriertes und prognosefähiges Verkehrsmodell

Die verkehrlichen Wirkungen einer geplanten Ortsumgehung, die Sinnhaftigkeit einer neuen Autobahnanschlussstelle oder der Ausbau einer Bundesstraße – bei vielen Fragestellungen der Verkehrsplanung geht es darum, die Wirkung einer Maßnahme vor ihrer Realisierung zu ermitteln

In der Regel muss dabei nicht nur die gegenwärtige Situation analysiert, sondern es müssen auch zukünftige Auswirkungen prognostiziert werden.
Für solche Verkehrsuntersuchungen und -prognosen werden häufig rein empirische Methoden, wie die Fortschreibung von Zählwerten, verwendet. Die daraus resultierenden Modelle können aber nur eingeschränkt oder sogar fehlerhaft auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren. Soziodemografische Entwicklungen etwa, die zu einer geänderten Verkehrsnachfrage führen, oder größere Kapazitätsänderungen durch Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen können kaum berücksichtigt werden. Daher ist ein kalibriertes und prognosefähiges Verkehrsmodell für die Ermittlung verlässlicher Ergebnisse erforderlich.
Der Aufbau individueller Verkehrsmodelle für den einmaligen Einsatz in lokalen oder regionalen Untersuchungen ist allerdings meist zu kosten- und zeitaufwendig. Um den Aufwand des Modellaufbaus zu reduzieren und gleichzeitig methodisch unsaubere Kompromisslösungen zu vermeiden, bietet es sich an, Teilmodelle aus einem bereits vorhandenen, vorkalibrierten überregionalen Modell einzusetzen und diese für die lokale Untersuchung anzupassen. Ein solches prognosefähiges Modell ist Validate, das seit 2005 bei der PTV AG kontinuierlich aktualisiert und weiterentwickelt wird und bereits für eine Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen eingesetzt wurde.
Das Verkehrsmodell bildet ganz Deutschland ab. Es besteht aus 20.680 Bezirken sowie etwa 5,9 Mio. Strecken und basiert auf Navigationsnetzen von HERE. Auf dem attribuierten und routingfähigen Netzmodell werden kalibrierte Nachfragematrizen verwendet, um mithilfe der Verkehrsplanungssoftware PTV Visum Lkw- und Pkw-Belastungen für das gesamte deutsche Hauptstraßennetz zu berechnen, wobei der Lkw-Verkehr in vier Gewichtsklassen unterteilt ist. Mit der Weiterentwicklung Validate.Dynamic können auch Belastungszahlen in Stunden-Intervallen für die verschiedenen Wochentage ermittelt werden. So kann für jedes gewünschte Untersuchungsgebiet ein Teilmodell ausgeschnitten werden.

Einsatz des Verkehrsmodells
In der Praxis werden Prognosen meist direkt aus Zählungen und Befragungen oder aus stark vereinfachten Verkehrsmodellierungen abgeleitet, was jedoch mit großen Ungenauigkeiten der Prognoseergebnisse verbunden ist. Diese Ungenauigkeiten sind angesichts der hohen Investitionsmittel für Infrastrukturvorhaben in der Regel nicht akzeptabel. Eine Alternative wäre der Einsatz eines bestehenden regionalen Verkehrsmodells. In einigen Regionen und Bundesländern liegen solche Modelle vor. Da diese aber häufig über viele Jahre nur pauschal fortgeschrieben werden, ist die Aktualität des Analysemodells und
der Prognoseabbildung kritisch zu hinterfragen.
Für den Fall einer fehlenden oder veralteten Modellgrundlage bietet sich das hier vorgestellte System an. Der Einsatz eines ausgeschnittenen Teilmodells  reduziert den Aufwand für den Verkehrsplaner im Modellaufbau erheblich, da lediglich Verfeinerungen und Nachkalibrierungen erforderlich sind. Neben einer Reduzierung des Gesamtaufwands wird damit auch die Bearbeitungszeit für die Wirkungsanalyse von Verkehrsplanungen stark verkürzt. Das Vorgehen wäre dabei wie folgt:

  1. Festlegung der Grenzen des Untersuchungsraumes, also des Ausschnittes aus dem Verkehrsmodell. Dieser sollte großräumige Verkehrsverlagerungen  abbilden können. Daher wird empfohlen, den Untersuchungsraum so groß zu wählen, dass in allen Richtungen Straßen der nächsthöheren Kategorie mit einbezogen werden.
  2.  Verfeinerung des Modells im unmittelbaren Umfeld der zu untersuchenden Maßnahme, insbesondere Verfeinerung der Verkehrsbezirke. Die Mitlieferungvon Netzverfeinerungen in diesem Bereich aus dem Datenbestand der Kartenhersteller wird vom Unternehmen ebenfalls angeboten.
  3. Kalibrierung des Verkehrsmodells für den Analysefall: Das Modell muss den Analysefall hinreichend gut reproduzieren (gemessen z. B. an der Übereinstimmung mit Verkehrszählungen), ohne an Prognosefähigkeit zu verlieren.
  4.  Berechnung der Prognosematrizen (unter Berücksichtigung überregionaler Entwicklungen) mithilfe des Nachfragemodells.
  5.  Einbau der Prognosemaßnahmen und aller relevantenNetzänderungen, die wahrscheinlich im Prognosezeitraum realisiert werden.
  6.  Wirkungsanalyse, Ableitung von Handlungsempfehlungen und Prognosezahlen zur Bemessung und Dimensionierung der Infrastrukturmaßnahme.

Der Verkehrsplaner wird somit von einem Großteil der vorbereitenden Arbeiten entlastet und kann sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Standardisierung und modularer Aufbau Das Verkehrsmodell zeichnet sich durch standardisierte Methodik aus:

  • Das Netzmodell basiert auf permanent aktualisierten Kartendaten weltweit tätiger Hersteller (z. B. HERE). Es ist transparent und nachvollziehbar attribuiert (Streckenkapazität, Geschwindigkeiten oder capacity restraint-Funktionen) und bietet eine landesweit einheitliche Modellqualität.
  •  Durch die deutschlandweite Abdeckung können in Teilmodellen alle relevanten Quell-, Ziel- und Durchgangsverkehre abgebildet werden – auch für
    Verkehre von und ins benachbarte Ausland.
  • Bei der Erstellung der Verkehrsbezirke wurden Kreis- und Gemeindegrenzen berücksichtigt, was die Übertragbarkeit externer Daten begünstigt.

Durch die Standardisierung sind auf dem Verkehrsmodell basierende Ergebnisse räumlich und zeitlich gut miteinander vergleichbar im Gegensatz zu einfachen empirischen  Verkehrsuntersuchungen, die auf den jeweiligen Einzelfall hochgerechnet sind und sich hinsichtlich ihrer Detaillierung und Qualität oftmals stark unterscheiden. Zudem kann die Verkehrsnachfrage mithilfe von verfügbaren regionalen oder überregionalen Prognosematrizen hochgerechnet werden (z. B. Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2030 – „Bundesprognose“). Prognosematrizen liegen in der Regel in größerer Aggregation vor (z. B. auf Kreisebene), können aber faktoriell auf die detaillierteren Bezirke angepasst werden, da diese unter Beachtung von Gemeinde- und Kreisgrenzen erstellt
wurden. Diese Hochrechnungen können als Grundlage für feinräumige Prognosebetrachtungen oder als Abgleich verwendet werden. Außerdem ist das Modell modular aufgebaut und kann daher flexibel an unterschiedliche Bedürfnisse angepasst werden. Der Nutzer hat je nach Modul Zugriff auf folgende Informationen:

  1. das attribuierte Netzmodell (zurOptimierung der Berechnungsgeschwindigkeit reduziert auf das übergeordnete Netz)
  2. die Umlegungsergebnisse für Pkw und Lkw (in vier Segmenten) auf dem Netzmodell
  3. die Nachfragematrizen für Pkw und Lkw (in vier Segmenten) inkl. der im Netzmodell angebundenen Bezirke
  4. die Umlegungsergebnisse für Pkw und Lkw (in vier Segmenten) in Stundenintervallen auf dem Netzmodell
  5. die berechneten Reisegeschwindigkeiten auf dem Netzmodell  in Intervallen von 15 Minuten bzw. 1 Stunde
  6. die Nachfragematrizen für Pkw und Lkw (in vier Segmenten) in Stundenintervallen inkl. der im Netzmodell angebundenen Bezirke von 15 Minuten bzw. Stunde.

Weitere Informationen: www.ptvgroup.com