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Der Modal Split als Verwirrspiel

Modal split: obfuscation or reliable indicator?

Prof. Dr.‐Ing. C. Holz‐Rau; Prof. Dr. K. Zimmermann, Dortmund
Dipl.-Soz. R. Follmer, Bonn

In vielen Städten ist die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) erklärtes Ziel der Verkehrspolitik. Als Erfolgsmaßstab dient häufig der Modal Split, in der Regel ausgedrückt als Anteile der Verkehrsmittel an den zurückgelegten Wegen (relativer Modal Split). Dabei wird oft vor allem die Entwicklung des MIV-Anteils betrachtet. In einigen deutschen Städten ist der MIV-Anteil in den letzten Jahrzehnten gesunken. Die hier präsentierten Daten aus Verkehrserhebungen in Großstädten (vertieft betrachtet Münster und Hannover) zeigen aber, dass der relative Modal Split des Bewohnerverkehrs zu deutlichen Fehleinschätzungen der tatsächlichen Verkehrsentwicklung verleiten kann. In den Städten Hannover und Münster hat trotz sinkender MIV-Anteile im Modal Split des Bewohnerverkehrs die Verkehrsbelastung durch den MIV absolut zugenommen. Aufgrund dieser Resultate und entgegen oder sogar gerade wegen seiner Eingängigkeit sollte der relative Modal Split nicht zur Beschreibung von Entwicklungen und Städtevergleichen und ebenso nicht als Zielgröße städtischer Verkehrspolitiken verwendet werden. Sinnvoller sind, ermittelt auf Basis von Verkehrsbefragungen, die absoluten Kenngrößen der Fahrtenhäufigkeit sowie der dabei zurückgelegten Distanzen nach Verkehrsmitteln. Diese Befragungen sollten nicht nur das Kerngebiet sondern auch das Umland betrachten, um die Verflechtungen zwischen Umland und Stadt einzubeziehen. Ein solcher Zugang sollte durch systematische Verkehrszählungen, auch des Radverkehrs, ergänzt werden. Derartige Zählungen beziehen dann zusätzlich die Entwicklungen des Güter- und Wirtschaftsverkehrs ein sowie bei einer entsprechenden Lage der Zählstelle die Entwicklung der Verflechtungen zwischen dem Umland und der Stadt. Entsprechend sollten sich die Zielformulierungen der strategischen Planung nicht auf den relativen Modal Split des Bewohnerverkehrs der Städte, sondern auf die Wegehäufigkeiten und Distanzen nach Verkehrsmitteln, möglichst für die gesamte Region, sowie auf die Verkehrsbelastungen im Netz beziehen.

Reduction of car traffic is the explicit goal of many local governments. The criterion for success for the reduction of car traffic often is the modal split, here defined as the share of different means of transport with reference to effective distances. The share of individual car users is crucial in this regard. In recent years, the share of individual car users in some German cities is shrinking. However, our analysis based on data of mobility behavior in the German cities Hannover and Münster shows that the relative modal split may lead to false interpretations of real mobility behavior. In both cities, the share of individual car users in absolute numbers is increasing although the share of individual car users in the modal split is decreasing. Based on these results, and against  conventional wisdom on the modal split as an indicator for sustainable transport, we can’t recommend to use the modal split as an indicator of sustainable mobility policy. More suitable are absolute numbers based on surveys on mobility behavior that take also the suburban areas and inter-municipality travels into account. In order to get a more accurate picture of mobility behavior in the whole region, we recommend to measure the frequency of travels and distances with reference to different modes of transport and the whole region. We also recommend to consider the load of transport in the mobility network.

Bewertung von koordinierten Lichtsignalsteuerungen mit einem Performance Index

Evaluating Coordinated Traffic Signals based on a Performance Index

A. Brandenburg, M. Sc.; Univ.-Prof. Dr.-Ing. J. Geistefeldt, Bochum

Der Verkehrsablauf auf Straßenzügen mit koordiniert gesteuerten Lichtsignalanlagen wird nach dem HBS 2015 mit dem Verfahren des Koordinierungsmaßes und der Angebotsqualität anhand von Qualitätsstufen beschrieben. Ein alternativer Ansatz zur Bewertung einer Koordinierung von Lichtsignalanlagen ist der Performance Index, mit dem die Anzahl der Halte und die Wartezeit gewichtet mit einer Kenngröße beschrieben werden können. Jedoch eignet sich der Performance Index als skalare Größe nicht zum Vergleich unterschiedlicher koordinierter Straßenzüge oder als Maß zur Herleitung von Qualitätsstufen des Verkehrsablaufs im Sinne des HBS. Um koordinierte Straßenzüge miteinander vergleichen zu können, wurde in der hier dokumentierten Untersuchung der Ansatz eines normierten Performance Index getestet. Grundlage bildeten mikroskopische Simulationen des Verkehrsablaufs auf vier Straßenzügen mit koordinierten Lichtsignalanlagen. Der entwickelte Performance Index pro Fahrzeug stellt eine über die Verkehrsstärke gewichtete Mittelung aller Halte und Wartezeiten auf den Fahrstreifen mit koordiniertem Verkehrsstrom der Knotenpunkte eines Straßenzugs dar. Durch eine zusätzliche Gewichtung der Halte kann die unterschiedliche Bedeutung eines Halts und einer Sekunde Wartezeit in der Bewertung der Koordinierung berücksichtigt werden. Zur Bestimmung der Verkehrsqualität anhand von Qualitätsstufen wurden Grenzwerte des Performance Index pro Fahrzeug vorgeschlagen.

In the German Highway Capacity Manual HBS 2015, threshold values of the number of passings without stop and a travel speed index are used to determine the quality of service at coordinated signalized intersections. As an alternative, a Performance Index can be used to evaluate the quality of service for coordinated traffic signals. Being a scalar quantity, however, the Performance Index is not suitable to compare different roadways or to define different levels of service. In order to allow for a comparison of different road segments, the application of a normalized Performance Index was tested based on microscopic simulations of traffic flow on four urban arterials with coordinated traffic signals. The developed Performance Index per vehicle is a volume-weighted value, considering delays and the average number of stops of coordinated traffic streams. A weighting factor multiplied by the average number of stops is used to consider the different impact of delays and stops. Threshold values of the Performance Index per vehicle for a six-step classification scheme are proposed.

Optimierung der Planung, Durchführung und Kontrolle von Spezialtransporten

Special road transportation – improvement of planning, realization and monitoring

Prof. Dr.-Ing. W.-R. Runge, Salzgitter
Dr.-Ing. L. Schnieder, Braunschweig

Großraum- und Schwertransporte weichen bezüglich ihrer Abmessungen oder Fahrzeuglasten deutlich von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ab. Sie sind daher in ihren Routen beschränkt. Ihre Durchführung erfordert spezielle Schutzmaßnahmen. Durch die föderale Struktur der Straßenbauverwaltung wirken an diesem Genehmigungsprozess verschiedene Straßenverwaltungen mit. Dieser Beitrag leitet die komplexe Planungsaufgabe aus dem Rechtsrahmen her und zeigt auf, wie bestehende Planungssysteme ergänzt werden können, um die Durchführung und Kontrolle zu unterstützen.

Heavy goods transports (overload) and high-capacity transports (oversize) significantly deviate from German road traffic regulations (StVZO) in terms of size or weight of the vehicle. For this reason these transports are limited to specific routes and require special protective measures while being executed. The distributed set-up of the road building administration in the Federal Republic of Germany requires a close collaboration fo different geographically distributed administrative divisions. This article derives the complex tasks associated with planning from the legislative framework and discusses how currently existing procedures and tool support can be further improved to support execution and monitoring of heavy goods and high capacity transports.

Das öffentliche Interesse muss die Entwicklung bestimmen! Auswirkungen des autonomen Fahrens aus Sicht der Verkehrsplanung – einige Thesen und zahlreiche offene Fragen

Public interest must guide design! Impacts of autonomous vehicles from a transportation planning perspective – several theses and plenty of open questions

Dipl.-Ing. K. Rothfuchs; Dr. Dipl.-Geogr. P. Engler, Hamburg

In der Debatte um die möglichen Auswirkungen der Einführung autonomer Fahrsysteme im öffentlichen Straßenverkehr besteht eine inhaltliche Schieflage, da grundlegende verkehrsplanerische Belange im Vergleich zu Fragen der technischen Umsetzbarkeit eher selten betrachtet werden. Mit dem vorliegenden Beitrag soll daher der Fokus auf die Implikationen des fahrerlosen Fahrens auf das Verkehrssystem gelegt werden. Dabei werden nach einem kurzen Abriss zum Stand autonomer Fahrsysteme je zwei Thesen zu den Themen Parken, Gestaltung von Quartiersstraßen und gesamtstädtische Auswirkungen aufgestellt und erläutert. Unabhängig von der Frage, ob und wann eine vollständige Durchdringung des Systems durch autonome Fahrsysteme vorstellbar ist, wird vor allem die Übergangszeit mit parallel die Straße nutzenden autonomen und manuell gesteuerten Fahrzeugen bestimmend sein. Beim Parken werden die größten Veränderungen zur heutigen Situation gesehen, da die Notwendigkeit für Parkstände im öffentlichen Raum sukzessive entfällt. Da zum Thema Autonomes Fahren nach wie vor mehr Fragen als Antworten vorliegen, wird anschließend auf einige aus Sicht der Verkehrsplanung zentrale Fragen und die Bedeutung von deren Beantwortung eingegangen. Dabei werden jeweils auch die bisher vorliegenden (Teil-)Antworten beschrieben und bewertet.

There is a substantive discrepancy in the debate surrounding the potential impacts of introducing autonomous driving systems into the public realm, since the basic needs of transportation planning are less often discussed compared to questions of technical implementation. The current article therefore aims to direct the focus towards the implication of driverless vehicles for the transportation system. After a brief description of the current state of autonomous driving systems, two theses each on the topics of parking, design of neighborhood streets and citywide impacts are introduced and expanded upon. In particular the transition period, during which autonomous and manually operated vehicles simultaneously share the streets, will be decisive, regardless of the question of if and when a complete penetration of the system through autonomous vehicles is conceivable. The most noticeable changes to the current situation can be seen with parking, since the necessity for parking spaces in the public realm will successively disappear. Because there continues to be more questions than answers on the topic of autonomous vehicles, the article concludes by highlighting several of the – from a transportation planning perspective central – questions as well as the importance of answering them. In each case the currently available (partial) answers are presented and evaluated.