Brückenbau

30 Tonnen schwere Lager für die neue Donaubrücke in Bratislava

Kalottenlager nehmen 21.000 t vertikale und 4.000 t horizontale Kräfte auf

Bratislava München. Bratislava bekommt im Süden seine fünfte Donaubrücke. Aufgrund des Brückengewichts und der Hauptspannweite von 210 m wirken enorme Vertikalkräfte auf die Brückenlager: bis zu 21.000 t. Zudem müssen die Lager im Erdbebenfall 4.000 t Horizontalkraft aufnehmen. Lagerspezialist MAURER baute die Lager: Als einziger Hersteller konnte er zertifizierte Lager in dieser Dimension auslegen.

Im Süden und Osten der slowakischen Hauptstadt Bratislava entsteht seit 2016 eine 59 km lange Umfahrung, eines der größten Infrastrukturprojekte Europas. D4R7 ist das Kürzel für das Großprojekt, der Name kommt von der Autobahn D4 (27 km) und der Schnellstraße R7 (32 km ). Die Umfahrung ermöglicht einen einfacheren Güterverkehr sowie eine bessere Steuerung des Transitverkehrs, was die Sicherheit und den Verkehrsfluss in Bratislava verbessert. Der Verkehr auf den vorhandenen Ringstraßen in stark besiedelten Gebieten und die dadurch verursachten täglichen Pendlerstaus in die Hauptstadt werden verringert.

Brücke über die Donau und Seitengewässer
Herzstück des Projekts ist eine neue Autobahnbrücke über die Donau, die fünfte und südlichste Donaubrücke für Bratislava. Neben der Donau überbrückt sie einen Seitenarm, den Kayak, sowie weitere Gewässerarme. Zusammen mit den Zufahrtsbrücken im Überschwemmungsgebiet wird sie 3 km lang sein.
Die beiden Hauptbrücken über Donau und Kayak haben je zwei Pfeiler im Fluss, die größte Spannweite beträgt 210 m. Zusammen mit den Vorlandbrücken mit je 70 m Stützweite liegt die Brücke auf 40 Pfeilern mit 80 Brückenlagern.
Die Lager der Hauptbrücke müssen extrem hohe Kräfte aufnehmen, weil die Brücke sehr schwer ist. Sie besteht aus Beton. Der 210 m lange Hohlkasten wurde in einem Stück vor Ort betoniert. Daraus resultieren Vertikalkräfte von bis zu 21.000 t.


Bild 2: Ein festes Kalottenlager für die neue Donaubrücke im Süden von Bratislava, ausgelegt für bis zu 21.000 t Vertikal- und 4.000 t Horizontalkräfte. Foto: MAURER

Neue Bemessungs-Vorschriften für Erdbeben
Zudem wurden während der Brückenplanung neue Bemessungskonzepte in die Slowakei eingeführt, nach denen jetzt auch der Lastfall Erdbeben berücksichtigt werden muss. Die Erdbebenbeschleunigungen sind mit bis zu 0,2 g eher moderat, aber die große Masse der beiden Hauptbrücken verursacht im Erdbebenfall enorme Horizontalkräfte von bis zu 4.000 t.
„21.000 t vertikal und 4.000 t horizontal – in dieser Kombination sind das mit die größten Lager, die MAURER je gebaut hat“, berichtet Projektleiter Luca Paroli von MAURER. Sie haben einen Grundriss von 2,8 x 2,8 m und wiegen 30 t. Für die beiden Hauptbrücken wurden 8 Lager in dieser Dimension hergestellt.
Eine Herausforderung angesichts der hohen Kräfte waren die engen geometrischen Vorgaben auf den Brückenpfeilern und die Limitierung auf 2 Lager pro Pfeiler. Denn so groß die Lager sind – angesichts der Kräfte sind sie klein. Das war nur mit Kalottenlagern mit dem Gleitwerkstoff MSM® zu realisieren.
Kalottenlager sind Lager, die beliebige Verdrehungen in alle Richtungen ohne merklichen Widerstand aufnehmen und zwängungsfrei in den Unterbau leiten können. Topflager oder Elastomerlager waren nicht möglich, weil der Platz dafür nicht gereicht hätte und für Lager in dieser Größe keine CE-Markierung mehr möglich ist.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch der Gleitwerkstoff MSM®. Im Vergleich zum herkömmlichen Teflon (PTFE) hält es mindestens doppelt so hohe Pressungen aus, sprich: Die Lager konnten ca. 30 % kleiner gebaut werden und passten so gerade noch auf die Pfeiler. Zudem hat MSM® laut ETA eine Lebensdauer von 50 Jahren.

Baugröße als Herausforderung
„Wir waren die einzigen, die zertifizierte Kalottenlager mit einem MSM®-Durchmesser von über 1,5 m liefern konnten“, erklärt Paroli die technologische Alleinstellung von MAURER auf diesem Gebiet. „Lager in dieser Größe zu bauen und einzubauen sowie die komplette Handhabung und der Transport auf die Baustelle waren eine besondere Herausforderung.“ Einzelne Lagerbauteile wurden mit Blechstärken von bis zu 300 mm hergestellt, deren Qualität wie gewohnt mit Ultraschall geprüft wurde. Die Lager wurden unter Aufsicht der MPA Stuttgart zusammengebaut und abgenommen.


Bild 3: Baustellenzustand: Ein geführtes Lager mit seitlicher, temporärer Festhaltung in rot. Die Festhaltung verhinderte während der Bauphase Querbewegungen und wurde danach gelöst. Foto: MAURER

Zudem mussten 6 Lager „wandelbar“ ausgeführt werden. Sie dienten während der Bauphase als Festhaltung in Querrichtung für eine Horizontalkraft von bis zu 180 t. Nach der Bauphase wurden die Fixierungen gelöst und die Lager sind freibeweglich bzw. einseitig geführt. Die großen Lager sind mit bis zu 170 Kopfbolzen im Bauwerk verankert.
Der Startschuss für das Gesamtprojekt fiel im Oktober 2016. Es ist zeitlich sehr ambitioniert und soll Ende 2020 abgeschlossen sein. Für die Lager betrug das Zeitfenster nur ca. 7 Monate vom Vertragsabschluss bis zur Lieferung, von Herbst 2018 bis Mitte 2019. Der Einbau erfolgte 2019/2020. Bauherr ist das D4R7 Construction s.r.o. Konsortium, gebildet von Porr Bau GmbH (Österreich) und Ferrovial Agroman (Spanien). Das D4R7-Projekt Concessionaire – Zero Bypass Ltd. ist ein Konsortium aus den internationalen Unternehmen Cintra, Macquarie Capital und PORR AG. Das Konsortium ist für Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb des südlichen Teils der Umgehung von Bratislava verantwortlich.


Bild 4: Schematischer Querschnitt eines festen Kalottenlagers. Grafik: MAURER

Kurzinfo MAURER SE
MAURER SE ist ein führender Spezialist im Maschinen- und Stahlbau mit weltweit über 1.000 Mitarbeitern. Das Unternehmen ist Marktführer im Bereich Bauwerkschutzsysteme (Brückenlager, Fahrbahnübergänge, Erdbebenvorrichtungen, Schwingungsdämpfer und Monitoringsysteme). Es entwickelt und fertigt darüber hinaus Schwingungsisolierungen von Gebäuden und Maschinen, Achterbahnen, Riesenräder sowie Sonderkonstruktionen im Stahlbau.

MAURER ist an vielen spektakulären Großprojekten beteiligt, z.B. den weltgrößten Brückenlagern in Wazirabad, erdbebensicheren Dehnfugen an den Bosporus-Brücken, Schwingungsdämpfern im Baku und Socar Tower oder Druck-Zug-Lagern für das Zenitstadion St. Petersburg. Komplette Gebäudeisolierungen reichen vom Akropolis Museum in Athen bis zum neuen Großflughafen in Mexiko. Spektakuläre Fahrgeschäfte sind z.B. umadum – das Münchner Riesenrad, die Rip-Ride-Rockit-Achterbahn in den Universal Studios Orlando oder die weltweit erste Duelling-Achterbahn im Mirabilandia Park in Ravenna.