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Sicher planen im Bestand – ein aktueller Überblick zur Gestaltung von Stadtstraßen unter Verkehrssicherheitsaspekten

Safe design of urban roads – a state-of-the-art report regarding the design of urban roads in existing situations under road safety aspects

Univ.-Prof. Dr.-Ing. J. Gerlach, Wuppertal

Planungen der jüngeren Vergangenheit haben vielerorts attraktive und sichere Gestaltungen von innerörtlichen Straßen und Plätzen hervorgebracht. Planende von Stadtstraßen und kommunalpolitische Entscheidungsträger scheinen allerdings mancherorts zu meinen, dass sie Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen nach ihrer eigenen Prioritätensetzung neu planen oder umgestalten können. Dies ist ein Trugschluss, der im Jahr 2019 einen nicht unerheblichen Beitrag zu 932 getöteten, 34.103 schwer verletzten und 214.309 leicht verletzten Menschen geleistet hat. Verstöße gegen sicherheitsrelevante Regeln der Technik können zu Personenschäden und in Fällen mit nachweisbaren kausalen Zusammenhängen zu Strafverfahren führen, die alle Beteiligten in hohem Maße belasten. Um dies zu vermeiden, ist der jeweils aktuelle Stand der Technik zur Stadtstraßengestaltung heranzuziehen und generell so zu planen, dass unter Abwägung aller Nutzungsansprüche die sicherste Lösung umgesetzt wird. Speziell gilt es dabei momentan, die besonderen Sicherheitsbelange beim Ein-, Abbiegen und Kreuzen in Knotenpunkten sowie des Rad- und Fußverkehrs in Knotenpunkten und Streckenabschnitten zu beachten, was in der derzeit in Überarbeitung befindlichen Generation der Stadtstraßen-Regelwerke neue Vorgaben mit sich bringen wird. Eine konsequente Anwendung der Instrumente des Sicherheitsmanagements einschließlich des Sicherheitsaudits trägt zudem dazu bei, Nutzungs- und Flächenkonflikte in komplexen und beengten innerörtlichen Situationen so sicher wie möglich zu lösen.

Recent planning has developed attractive and safe designs of urban roads and squares in many places. However, urban road planners and municipal policy-makers seem to believe in some cases that they can redesign urban main roads or residential roads according to their own priorities. This is a fallacy that in 2019 made a not inconsiderable contribution to 932 deaths, 34,103 serious injuries and 214,309 minor injuries in German urban areas. Violations of safety-relevant rules and recommendations can lead to personal injury and, in cases with verifiable causal connections, to court cases that place a heavy burden on all parties involved. In order to avoid this, the current state of the art in urban road design must be taken into account and generally planned in such a way that – taking into account all usage requirements – the safest solution is implemented. At present, special attention must be paid to the special safety requirements for entering, turning and crossing in intersections as well as for bicycle and pedestrian requirements in intersections and route sections. This will result in new requirements in the generation of urban road design guidelines currently being revised. Consistent application of the instruments of safety management, including safety audits, will also help to solve usage and land use conflicts in complex and confined inner-city situations as safely as possible.

Unfallrisiko Parken für Fußgänger und Radfahrer

Accident risk of parking for pedestrians and cyclists

Dipl.-Ing. M. Schreiber; Dipl.-Ing. J. Ortlepp, Berlin

Täglich werden in Deutschland mehr als 100 Millionen Wege mit dem Pkw durchgeführt. Sowohl beim Ein- und Ausparken als auch beim Ein- oder Aussteigen kann es dabei zu Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern kommen. Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zeigt, dass fast jeder fünfte innerörtliche Fußgängeroder Radfahrerunfall mit Personenschaden im Zusammenhang mit dem Parken steht. Der Fachbeitrag zeigt die typischen Gefahren auf und empfiehlt Maßnahmen zu deren Vermeidung.

More than 100 million trips are made by car every day in Germany. Accidents with pedestrians and cyclists can occur when parking and unparking, as well as when entering or leaving the car. A study by the Insurers Accident Research (UDV) shows that almost one in five pedestrian or cyclist accidents in urban areas involving personal injury are related to parking. The following article shows the typical dangers and recommends measures to avoid them.

Entwurfsgrundlagen von Hochleistungsstraßen in urbanen Gebieten

Design parameters for high capacity roads within built up areas

Dr.-Ing. D. Schmitt, Bergisch Gladbach

Diesem Bericht liegen Teile der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, unter FE-Nr. 70.0927/2015 durchgeführten Forschungsarbeit zugrunde. Im deutschen Straßennetz existieren Hochleistungsstraßen, die einen Großteil der innerstädtischen Verkehre abwickeln und dadurch nachgelagerte Straßen entlasten. Dabei verfügen diese Straßen, die Verkehrsstärken über 35.000 Kfz/24 h abwickeln und ein an die städtische Situation angepasstes Geschwindigkeitsniveau von 50–80 km/h aufweisen, über breite Straßenquerschnitte mit mindestens zwei Fahrstreifen je Fahrtrichtung. Kreuzungsverkehre werden auf Hochleistungsstraßen sowohl durch niveaugleiche als auch niveaufreie Knotenpunkte abgewickelt. Die Ausgestaltung von Hochleistungsstraßen erfolgt entweder urban oder autobahnähnlich, wobei diese Straßen bislang keine eingeführte Kategorie in den Regelwerken der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. sind. So fehlen entsprechende Entwurfsempfehlungen und die im Bestand vorzufindenden Entwurfselemente weichen teilweise erheblich von den derzeit gültigen anerkannten Regeln für bestehende Kategorien von Stadtstraßen oder Autobahnen ab. Aufgabe war es, geeignete Entwurfsparameter für Hochleistungsstraßen zu entwickeln, die die Anforderungen der Verkehrssicherheit, der Fahrtgeschwindigkeit, des Lärmschutzes sowie der städtebaulichen und stadtplanerischen Qualität möglichst weitgehend erfüllen.

The German road network includes high capacity roads that handle a large part of inner-city traffic relieving the subordinate road network. These roads, which handle traffic volumes of more than 35,000 vehicles per 24 hours and have a speed level of 50–80 km/h adapted to the urban situation, have wide road cross-sections with at least two lanes in each direction. Intersection traffic is handled on high capacity roads through both level and level-free junctions. The design of high capacity roads is either urban or motorway-like, although these roads are not a category in the existing guidelines of the German “Road and Transportation Research Association”. Thus, corresponding design recommendations are lacking and the design elements found on high capacity roads in some cases differ significantly from the currently valid rules for existing categories of urban streets or motorways. The main task was the development of design parameters for high capacity roads in consideration of traffic safety, travel speed, noise protection measures as well as aspects of urban development and urban planning.

 

Sicherheit und Akzeptanz der Radverkehrsführung in Mittellage (RiM) an Knotenpunkten

Safety and user acceptance of through bike lanes

L. Baur M. Sc.; O. Beyer M. Sc.; Univ.-Prof. Dr.-Ing. T. Richter, Berlin

Das Ziel des Forschungskomplexes war es, die Sicherheitslage auf Radverkehrsführungen in Mittellage (RiM) zu untersuchen und positive wie negative Charakteristiken bzgl. ihrer Auswirkungen herauszuarbeiten. Dazu wurden 52 RiM in Berlin und Leipzig ausgewählt und anhand einer Unfalldatenanalyse Radverkehrsunfälle im Vorher- und Nachherzeitraum ausgewertet. Die Ergebnisse der Forschung zeigen auf, dass verschiedene Charakteristika das Unfallgeschehen beeinflussen. Für den Einsatz von RiM sollten ein nennenswertes Aufkommen ab 70 Radfahrenden pro Stunde sowie Kfz-Abbiegeverkehrsstärken unter 1.000 Kfz pro Tag gegeben sein. Bezüglich der Dimensionierung und Gestaltung der Radverkehrsanlagen zeigen eingefärbte RiM eine positive Wirkung auf die Unfallzahlen auf. Dennoch sollen Längen von über 59 m vermieden werden. Mittlere Breiten (Standardbreite von Radfahrstreifen) sind dabei vorzuziehen. Zu vermeiden sind von der Norm abweichende RiM (z. B. Knotenpunkt im Verflechtungsbereich). Die Kombination positiver RiM-Eigenschaften kann jedoch aufgrund der Stichprobengröße keine belastbaren Aussagen liefern.

The aim of the research project was to investigate the road safety of cyclists at „through bike lanes“ (RiM). 52 through bike lanes were compiled in Berlin and Leipzig. The design of characteristic values (colour, length and width of RiM as well as the traffic volume) enabled the creation of clusters which homogenized the samples. Bicycle accident data was located with the help of a geographic information system. The results show, that RiM can reduce the accident occurrence if certain characteristics are avoided. The colouring of RiM has a positive effect on the safety as well as the standard width of german manditory bike lanes. However, long RiM (> 59 m) seem to increase the count of accidents. Furhtermore, the compatible traffic volume should not exceed 1,000 motor vehicles per day. However, a bigger data basis is required to confirm the thesis.

Auswirkungen der Erkennbarkeit und der Zufahrtsgestaltung auf die Verkehrssicherheit von Kreisverkehren an Landstraßen

Impact of Perceptibility and Approach Design on Safety of Roundabouts on Rural Roads

Dr.-Ing. M. Schmotz; Dipl.-Ing. B. Schröter, Dresden
Prof. Dr.-Ing. C. Lippold, Berlin
Dipl.-Ing. A. Schemmel; Dipl.-Psych., Dipl.-Ing. C. Schulze, Dresden

Kreisverkehre außerhalb bebauter Gebiete weisen im Vergleich zu Knotenpunkten mit und ohne LSA eine hohe Verkehrssicherheit auf. Von dem Merkblatt für die Anlage von Kreisverkehren abweichende Entwurfsvorgaben einzelner Bundesländer und ein hoher Anteil Fahrunfälle (insbesondere bei Dunkelheit) deuten jedoch auf weitere Potenziale zur Erhöhung der Verkehrssicherheit durch eine verbesserte Erkennbarkeit der Kreisverkehre hin. Im Rahmen des gemeinsamen Forschungsprogramms des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) wurde ein Forschungsvorhaben beauftragt, welches durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) betreut wurde, um das Unfallgeschehen und Fahrverhalten an außerörtlichen Kreisverkehren zu analysieren. Im Rahmen der Unfallanalyse zeigte sich, dass 60 % der Fahrunfälle an außerörtlichen Kreisverkehren während Dämmerung und Dunkelheit geschehen und dass 40 % aller Unfälle Alleinunfälle sind. Die Alleinunfälle weisen dabei die höchste Unfallschwere auf und führen häufig zum Auffahren auf die Kreisinsel. In Detailanalysen wurde unter Verwendung generalisierter linearer Modelle der Einfluss verschiedener Gestaltungselemente auf das Unfallgeschehen untersucht. Dabei zeigte sich, dass Zufahrten mit Abkröpfung und Verschwenkung im Annäherungsbereich geringere Unfallkostenraten aufweisen als Zufahrten mit gestreckter Linienführung. Außerdem waren an Zufahrten mit breitem Fahrbahnteiler in dreieckiger Form geringere Unfallraten als an Zufahrten mit schmalem Fahrbahnteiler mit gerader Bordführung zu beobachten. Das im Rahmen von Fahrverhaltensanalysen beobachtete Geschwindigkeitsund Spurverhalten bestätigt die Erkenntnisse der Unfallanalyse im Hinblick auf die Linienführung im Annäherungsbereich und die Form des Fahrbahnteilers. Die lichttechnischen Analysen zeigten, dass durch retroreflektierende Markierungsnägel auf den Bordsteinen der Fahrbahnteiler und der Kreisinsel die Erkennbarkeit von außerörtlichen Kreisverkehren bei Dunkelheit verbessert werden kann.

Literature consistently finds a higher level of safety at roundabouts compared to other types of intersections. However, some studies indicate that there is still a lack of safety on rural roundabouts. Particularly high approaching speeds combined with insufficient perceptibility of roundabouts can cause accidents when drivers lose control of their vehicle (especially during nighttime). A research project funded by the Federal Ministry of Transport and Digital Infrastructure and the Federal Highway Research Institute (BASt) was initiated to analyze correlates of safety at rural roundabouts in Germany and to investigate opportunities to improve their safety. The analysis of accident characteristics in data from official statistics shows that 60 % of driving accidents happen in twilight and at night time and that four out of ten accidents are single-vehicle accidents. Single-vehicle accidents have the highest severity and usually end up on the central island of roundabouts. Generalized linear models were used for detailed accident analyses and the following effects of roundabout design on accident risk were found: Approaches with a curvilinear alignment or a chicane have significant lower accident cost rates than approaches with straight alignment. Wide splitter islands with triangle shape provide lower accident rates than narrow splitter islands with straight curb. Finally, observations of driving behaviour and photometric studies were conducted. The influence of approach alignment on speed behaviour and the shape of splitter islands on track behaviour proved the results obtained by the accident analysis. Photometric studies showed that the usage of retroreflective elements on the curb of the splitter island increase the visibility of rural roundabouts during the night.

Einsatzkriterien und Gestaltungshinweise für außerörtliche Einmündungen und Kreuzungen

Application criteria and design notes for rural T-junctions and intersections

Dr.-Ing. M. Zimmermann; C. Auer, M. Sc.; Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. R. Roos, Karlsruhe

Das Ziel des gleichnamigen Forschungsprojektes im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), dessen Erkenntnisse in diesem Beitrag zusammengefasst werden, war es, für Einmündungen und Kreuzungen im Zuge von einbahnig zweistreifigen Landstraßen konkrete Empfehlungen für die Gestaltung von Knotenpunktelementen und den Einsatz der unterschiedlichen Betriebsformen zu geben. Insbesondere die Führung der Rechtsabbieger mit bzw. ohne Dreiecksinsel und ein konkreter Prüfwert für die Einrichtung einer Lichtsignalanlage (LSA) standen dabei im Vordergrund. Darüber hinaus wurden die Auswirkungen freier Rechtsabbieger und weiterer Knotenpunktrandbedingungen auf die Verkehrssicherheit analysiert. Mit einer Knotenpunktauswahl von 672 Einmündungen und Kreuzungen aus 6 Bundesländern wurde die makroskopische und mikroskopische Unfallanalyse aufgebaut. Hierfür wurden mit repräsentativen Kollektiven die Sicherheitswirkungen in Form von Unfallkostenraten (UKR) insgesamt dargestellt, bei einem Teil der Bundesländer wurden auch Besonderheiten anhand der dreistelligen Unfalltypen gegenübergestellt. Mit dem Aufbauen eines verallgemeinerten linearen Modells wurden die Ergebnisse abgerundet. Als markanteste Ergebnisse des FE-Vorhabens ergaben sich eine differenzierte Sicht auf die Rechtsabbiegeführungen bei Einmündungen und Kreuzungen sowie die Prüfwerte für die Erforderlichkeit einer LSA. Darüber hinaus bestätigte sich insgesamt der Sicherheitsnutzen von LSA gegenüber der Regelung mit Verkehrszeichen. Bezüglich der Wahl der Rechtsabbiegeführung bei unsignalisierten Knotenpunkten erwiesen sich bei Einmündungen solche mit Dreiecksinsel generell als unsicherer, während bei Kreuzungen die Anlage solcher Dreiecksinseln mit Vorrang der Linksabbieger bzw. Kreuzenden nach den Dreiecksinseln sich als deutlich sicherer herausgestellt haben als alle anderen Gestaltungsformen. Gegenüber dem bislang im Regelwerk genannten pauschalen Prüfwert für die Einrichtung einer LSA zeigten die Ergebnisse sowohl deutlich unterschiedliche Ergebnisse für Einmündungen und Kreuzungen als auch bei Einmündungen in Abhängigkeit von dem Anteil der Verkehrsbelastungen der untergeordneten zu den übergeordneten Zufahrten. Vor allem bei Einmündungen mit sehr geringen Anteilen der untergeordneten Zufahrten ergaben sich DTV-Werte von mehr als 10.000 Kfz/24h, ab denen volkswirtschaftliche Erwägungen auf der Basis von Unfallkostenraten sowie Bau- und Betriebskosten die Anlage einer LSA erforderlich machen.

The aim of the research project commissioned by the Federal Ministry of Transport and Digital Infrastructure (BMVI), whose findings are summarized in this article, was to give concrete recommendations for the design of junctions and the use of different operating forms. The junctions under consideration were located in the course of two-lane rural roads. In particular, the guidance of right turning vehicles with or without a triangular island and a concrete test value for the installation of a traffic light were focused. In addition, the effects of free right turning vehicles and other node boundary conditions on traffic safety were analysed. The macroscopic and microscopic accident analysis was built up with a selection of 672 junctions from 6 federal states. For this purpose, representative collectives were used to compare the distribution of the accident cost rate as well as three-digit accident types. The results were supplemented by a generalized linear model. The most remarkable results of the research project were a differentiated view of the types to guide right turning vehicles at T-junctions and intersections as well as the test values for the recommendation to install a traffic light. In addition, the safety benefit of signal-controlled compared to signcontrolled junctions was confirmed. With regard to the choice to guide right turning vehicles at sign-controlled junctions, those with triangular islands proved to be less safe at T-junctions, while at intersections the installation of such triangular islands with “give right of way” after the triangular islands was significantly safer than all other guidance forms. Compared to the general test value for the installation of a traffic light, which has been mentioned in the regulations so far, the results showed clearly different results for T-junctions and intersections as well as for T-junctions depending on the share of the AADT of the subordinate road to the AADT of the superior road. Particularly at junctions with a very small share of the AADT on the subordinate road, the installation of a traffic light is only necessary at an AADT value of more than 10,000 vehicles/24 hours. This is based on an economic comparison of the accident cost rate as well as costs for construction and operation of the system.